Nebel legt sich über die Landschaft. Verhüllt Menschen und Tiere. Kein Geräusch ist zu hören. Die Hand vor Augen kaum zu sehen. Geheimnisse scheinen im dunklen Wald verborgen. Und übernatürliche Begegnungen möglich. Ich habe Natur selten so spannend erlebt, wie auf dem Rennsteig im Winter. Früher waren viele Etappen des Fernwanderweges in den Wintermonaten nur mit Langlaufskiern oder Schneeschuhen zu bewältigen – doch der Schnee bleibt wegen des Klimawandels immer öfter aus. Dadurch bietet sich der Rennsteig jetzt besonders für Winterwanderungen an.

Lange Wandertradition
„Der älteste Wanderweg Deutschlands“ oder der „meist begangene Fernweg“ – wenn vom Rennsteig die Rede ist, fallen schnell Superlative. Bereits im Mittelalter gingen Händler auf dem Weg, der von Hörschel, einem Stadtteil von Eisenach, bis nach Blankenstein, unmittelbar an der bayrischen Grenze führt – knapp 170 Kilometer mitten durch den Thüringer Wald. Und weil es die Menschen mit ihren Waren meistens eilig hatten, bekam die Route den Namen Rennsteig. So wird die Geschichte zumindest gerne erzählt. Ich bin durch wabernde Nebel, menschenleere Wälder und zu geschichtsträchtigen Plätzen am Rennsteig gewandert und möchte euch in diesem Artikel drei besondere Highlights vorstellen.



Sagenumwobener Schneekopf
Wir starten am Parkplatz des Schneekopfs – von hier aus führt ein 1,2 Kilometer langer Walderlebnispfad auf den Gipfel des Berges. Parallel zum Weg liegt ein großes Hochmoor. Die sogenannten Teufelskreise, wie unser Wanderführer Ralf Kirchner berichtet. Kompakte Wolken umklammern die Fichtenstämme. Dicht über dem Boden ragen grüne Sträucher aus dem Boden. Leiser, sachter Schnee legt sich auf unsere Haut und wirkt wie ein Erfrischungsspray. Der Rennsteig im Winter mutet wie eine Märchenlandschaft an. Wir marschieren die Anhöhe hinauf. Der leuchtend roten Jacke unseres Wanderführers hinterher.

Weiterlesen: Der pittoreske Kurort Masserberg gilt als die Perle am Rennsteig .
Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten
Unmittelbar am Rennsteig gibt es nur wenige Sehenswürdigkeiten. Heute stellen Touristiker Touren nach Marketinggesichtspunkten zusammen – die historische Routenführung des Rennsteigs war hingegen auf Schnelligkeit ausgelegt. Wer zu den spektakulärsten Orten möchte, muss deshalb kleine Schlaufen laufen oder Abstecher machen. Der Schneekopf, der zweithöchste Berg des Thüringer Waldes, lohnt den kleinen Umweg definitiv.

Denn hier bietet sich euch eine sensationelle Fernsicht – sofern das Wetter mitspielt. Früher bildete sich der dichte, mystische Nebel vor allem im November. Doch seit einigen Jahren verändert sich das Wetter im Thüringer Wald, erzählen mir die Einheimischen, und der Nebel tritt auch verstärkt in den Wintermonaten auf. Parallel dazu haben sich die Schneefälle deutlich verringert, was auf den Klimawandel zurückgeführt wird.
Horchposten der roten Armee
Zu DDR-Zeiten durfte der Schneekopf nicht betreten werden. Er war militärisches Sperrgebiet und für Bürger der Deutschen Demokratischen Republik tabu – erst nach der Wiedervereinigung wurde er wieder zum beliebten Ausflugsziel. Mit einer kleinen Gastronomie und einen hohen Aussichtsturm.

Einkehren und Aufwärmen auf dem Rennsteig im Winter
Die Gruppe schiebt sich dankbar in den hell erleuchteten Vorraum der Gehlberger Hütte. In einer großen Vitrine schimmert es lila, rosa und mahagonifarben. Kleine, kugelförmige Steine sind in der Mitte durchgeschnitten und bieten so tiefe Einblicke in ihr schimmerndes Innenleben. Die sogenannten Schneekopfkugeln sind vor 250 Millionen Jahren durch Gasblasen in der Lava entstanden. Und verdanken ihren Namen dem hauptsächlichen Fundort.

Die Tür der Gaststube schwingt auf. Warme Luft und Kaffeeduft strömen heraus. Winterwanderer haben es sich am Holztisch neben dem großen Kachelofen gemütlich gemacht. Alte, abgegriffene Bücher lehnen an der gekachelten Wand. Ralf Kirchner entdeckt ein altes Sagenbuch vom Schneekopf. Gleich die erste Sage handelt vom Teufel.
Wo der Teufel badete
Der Teufel, so erzählt es die Legende, konnte sich nirgendwo richtig waschen. Nur das Hochmoor am Schneekopf bot ihm dazu die Möglichkeit: In 1.000 Meter tiefen Mulden, wo sich das Wasser sammelte. In sie stürzte sich Belzebub des Nächtens, um sich zu erfrischen, wenn es ihm in der Hölle zu heiß wurde. Die Menschen, die früher im Wald arbeiteten, waren wegen der dichten Nebel ängstlich und abergläubig. So entstanden die vielen Sagen rund um den Schneekopf.

Gestärkt verlässt die Gruppe die Hütte und geht ein paar Meter weiter zum Aussichtsturm. Der Schneekopf ist 979 Meter hoch. Die Aussichtsplattform befindet sich auf 1.001 Meter. Ein bisschen Sportlichkeit ist geboten und normalerweise entschädigt der Ausblick für die Mühen. Doch oben angekommen, sehen wir heute: nichts. Der Nebel steht wie eine weißgraue Wand vor den Panoramascheiben des Turms.
Der Rennsteig im Winter
Wer den Schneekopf verlässt, stößt nach wenigen Kilometern wieder auf den Rennsteig. Ein großes, weißes „R“ auf dunklen Fichtenstämmen markiert die Route. Es findet sich alle paar Meter, sodass sich selbst im Nebel niemand verläuft. Rund neun Kilometer unterhalb des Schneekopfs liegt der Bahnhof Rennsteig, einer der nostalgischsten Orte auf dem Fernwanderweg.

Der Rennsteig Bahnhof
Die Deutsche Bahn stellte 1998 den Zugverkehr zum Bahnhof Rennsteig ein. Fünf Jahre später sprang eine Privatbahn ein, unterstützt von örtlichen Eisenbahnfreunden. Die Vereinsmitglieder hegen und pflegen die historischen Waggons auf dem alten Bahnhof. Er wurde aufwendig rennoviert: Mit Säulen und Gebäuden aus dem ehemaligen Erfurter Hauptbahnhof. Wer mag, kann hier einkehren oder die Räumlichkeiten für private Feiern mieten.

Rotgolden leuchten kleine Tischlampen im altertümlichen Speisewagen. 1897 prangt als Jahreszahl an einem hölzernen Güterwaggon. Und geräuschvoll schreitet der Minutenzeiger der großen Bahnhofsuhr voran. Ein Hauch vom Orient Express im Thüringer Wald, der zum Wind wird, wenn die Dampflok kommt: das Schnaufen, der Schnee – etwas Schöneres gibt es für Eisenbahnnostalgiker wahrscheinlich nicht.

Extra-Tipp: Die Sonderfahrten der Dampflok finden nur sporadisch statt. Mittlerweile gibt es aber wieder einen regulären Zugverkehr – an Wochenenden und Feiertagen bringt die Süd-Thüringen Bahn Wanderer von Ilmenau zum Bahnhof Rennsteig. Und Ilmenau ist sehr gut mit dem ICE zu erreichen. Sprich: Ihr könnt den Rennsteig im Winter getrost ohne Privat-PKW besuchen.
Übernachtungstipps für den Rennsteig im Winter
Thüringen verfügt über eine ganze Reihe von schönen, neuen Wellnesshotels. Ich habe den Rennsteig im Winter mit der üppigen Saunalandschaft des BERG & SPA HOTEL GABELBACH* kombiniert und dabei wunderbar entspannt. Das Hotel Gabelbach liegt mitten im Wald, ist modern eingerichtet und dabei traditionsbewusst. Wenn ihr mit dem freundlichen Personal ins Gespräch kommt, werdet ihr so erfahren, dass das Hotel ein früheres Kurhaus ist, im Krieg als Lazarett und zu DDR-Zeiten den Parteibonzen diente. Hier findet ihr mehr Infos zu dem Wellness-Hotel im Wald*.



Wer gut und günstig übernachten möchte, ist in den örtlichen Ferienwohnungen richtig. Das Gästehaus Blau liegt nur zehn Wanderminuten vom Rennsteig entfernt in Schmiedefeld. Sensationell ist das Frühstück, das von den Herbergswirtin frisch nach euren Wünschen zubereitet und vor die Tür gestellt wird.

Biosphärenreservat Thüringer Wald
Ranger des örtlichen Biosphärenreservats Thüringer Wald führen regelmäßig Gruppen zum Rennsteig Bahnhof. Der Rennsteig führt mitten durch das Biosphärenreservat. Biosphärenreservate sind Modellregionen, in denen Mensch und Natur im Einklang zusammenleben sollen – mit dem Ziel, die örtlichen Ressourcen auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Um das zu gewährleisten, setzt das Biosphärenreservat Thüringer Wald auf den ÖPNV. Das kommt Mensch und Umwelt zugute.

Das Rennsteigticket
Übernachtungsgäste in der Region erhalten heute automatisch eine Gästekarte, die zugleich Fahrschein ist. Zusammen mit den anderen Betrieben in der Region hat das Biosphärenreservat so erreicht, dass der ÖPNV die wichtigsten Orte am Rennsteig anfährt.

Ausstellung im Biosphärenreservat zum Rennsteig im Winter
Wie der Klimawandel den Thüringer Wald verändert, welche Wanderungen und Führungen der Rennsteig im Winter bietet und vieles mehr könnt ihr im Infocenter des Biosphärenreservats erfahren. „Lebendige Stille – natürlich!“ heißt eine spannende, multimediale Ausstellung, in der ihr alles über die einheimische Fauna und Flora erfahrt.
*Bei den Werbe-Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Das sind Partnerprogramme mit Unternehmen – wenn ihr über den Link auf meiner Seite ein Hotel bucht oder ein Buch kauft, bekomme ich eine kleine Provision. Für euch ist es keinen Cent teurer, aber für Blogger sind diese Einnahmen wichtig, um den Blog überhaupt betreiben zu können.
Schreibe einen Kommentar