Lust auf eine frische Meeresbrise? Auf kühles Atlantikwasser, das eure Füße umspült? Dann willkommen auf den Chausey-Inseln! Während die große Nachbarin Jersey zu England gehört, liegt Chausey auf französischem Hoheitsgebiet. Insgesamt 365 Inseln zählen nach offizieller Lesart zum Archipel – aber nur eine ist bewohnt. Hier gibt es eine Kapelle, einen Tante Emma-Laden und ein Hotel mit acht Zimmern. Das Leben auf den Inseln richtet sich nach den Gezeiten, die in der Normandie besonders extrem sind. Bei Ebbe ragen sämtliche Inseln aus dem Wasser und ihr könnt zwischen ihnen spazieren gehen – bei Flut versinken die meisten von ihnen in den Wellen.
Anreise nach Chausey
Ein Bootsmann hilft, den sperrigen Kinderwagen zu verstauen. Die letzten Passagiere klettern aufs Vorderdeck und machen es sich in der Morgensonne bequem. Dann legt unsere Fähre ab und verlässt den Hafen von Granville. Segelschiffe tanzen auf den Wellen. Möwen kreisen um den Fahnenmast. Ein leichter Wind kommt auf und kitzelt meine Haut – das Abenteuer beginnt!
Info: Wer kein eigenes Boot besitzt, gelangt nur mit der Fähre nach Chausey.
Fähre von Granville durch den Ärmelkanal
Die Überfahrt dauert rund eine Stunde. Unterwegs gibt es leiernde Banddurchsagen und spontane Kommentare des Kapitäns – allerdings ausschließlich auf Französisch. Und das ist keine meiner Sprachen. Die schönsten Erlebnisse während der Überfahrt bekomme ich dennoch mit. Denn unter lauten Ah- und Oh-Rufen eilen die Passagiere auf die eine oder andere Schiffsseite, je nachdem wo gerade Delphine oder Seehunde gesichtet wurden. Auch wenn auf dem Foto nicht viel zu erkennen ist – die Delfine zu sehen, war unbeschreiblich schön.
Dann taucht der Archipel vor uns auf. Keine der Inseln gleicht der anderen. Und ihre jeweilige Form bestimmt den Namen: Ein Eiland, platt wie eine Flunder, heißt flache Insel. Die bewohnte Hauptinsel ist die Grand Ile – die große Insel. Hier geht unsere Fähre vor Anker.
Hafen von Chausey
Zwischen grünen Hügeln stehen vereinzelte graue Häuschen. Große und kleine Granitsteine, bunt übereinander gestapelt, bilden die Mauern. Ein paar sind weiß verputzt, die meisten aber naturbelassen. Auch die Gärten sind ummauert. In ihnen blüht es lila, blau und pink. Hortensien gedeihen prächtig in der Normandie. Im Hafen warten Männer mit großen Handkarren. Sie verladen Koffer, Taschen und Rucksäcke und ziehen die Karren bergauf zu den Unterkünften. Autos sind auf dem Archipel unerwünscht. Ich wandere mit meinen Rollkoffer Richtung Hotel.
Obwohl es nur ein kurzer Weg ist, brauche ich ewig, denn ich bleibe permanent stehen, um Fotos zu machen.
Strände und Ferienhäuser auf der Grande-Île
Bei den weiß getünchten Häuschen mit ihren blauen Fensterläden muss ich an Griechenland denken. Dann blicke ich auf eine kilometerlange, fein geschwungene Bucht herab und fühle mich an die Karibik erinnert.
Lange Zeit war Chausey selbst in Frankreich ein absoluter Geheimtipp. Mittlerweile hat sich die Schönheit des Archipels aber in der Normandie herumgesprochen und in den Sommermonaten kommen hunderte Tagestouristen.
Der Ansturm findet an schönen Tagen zwischen Mitte Juni und Ende August statt. Die Tagestouristen müssen allerdings mit der letzten Fähre zurück nach Granville. Nur wer eines der wenigen Hotelzimmer oder Appartements auf der Insel hat buchen können, darf bleiben. Camping ist schon seit Jahren verboten. Und die Inselverwaltung verbietet jeden Neubau.
Abseits der Hauptinsel
Abseits der Hauptinsel ist es aber auch im Sommer menschenleer, ursprünglich und wild. Wo eben noch weicher, warmer Sand war, ist im nächsten Augenblick eisiges Atlantikwasser. Das Meer steigt und fällt um 14 Meter – wer hier unbegleitet wandert, ist schlecht beraten. Geführte Touren werden von Oliver Ribeyrolles angeboten. iDer Geologe hat sich bereits im Studium auf Sedimente spezialisiert und kennt vermutlich jede Gesteinsform auf der Insel.
Geheimtipp: Naturführungen auf Chausey
Olivier geht mit seinen Gruppen tief hinein in die bizarre Inselwelt. Wenn die Ebbe ihren tiefsten Punkt erreicht, tauchen hunderte Steinbrocken auf. Große und kleine. Stark verklüftete und perfekt gerundete. An einigen Stellen ragen schwarze Monolithen in die Höhe. Der Archipel gleicht einer Mondlandschaft – die Assoziation hatten außer mir offenbar noch viele andere Menschen. Olivier kontert dann stets mit der Frage, ob wir schon einmal auf dem Mond gewesen seien? Damit erntet er regelmäßig ein paar Lacher.
Wir tauschen unsere Badelatschen gegen Neopren-Schuhe. Denn der Sand ist nicht überall weich. An manchen Stellen gibt es Muscheln und Steinchen, die unter empfindlichen Fußsohlen heftig schmerzen. Olivier selbst läuft barfuß. Er hat sich über die Jahre Schwielen zugelegt.
Faszinierende Mönchs- und Elefanteninsel
Olivier macht uns auf besonderes ausgefallene Inselchen aufmerksam: die Mönchsinsel. Oder die Elefanteninsel, deren Form tatsächlich an die Tiere erinnert. Erst ist das Wasser nur wenige Zentimeter hoch. Dank der Sonneneinstrahlung hat es Badewannentemperatur. Platsch. Platsch. Jeder Schritt in dem weichen Matsch klingt wie ein Schmatzen und hinterlässt einen deutlichen Fußabdruck. Olivier achtet darauf, dass seine Gruppen nichts anderes auf Chausey zurücklassen.
Nach einigen Minuten stoppt er zwischen wuchtigen, schwarzen Steinen. Fischt mit dem Netz im flachen Wasser und fördert Getier zutage: Es sind winzige, fast durchsichtige Krabben, die panisch im Netz zappeln. Neben ihnen kriecht ein schneckenähnliches Wesen langsam über die Maschen. Olivier erklärt, dass die Krabben erst gefangen werden dürfen, wenn sie fünf Zentimeter groß sind. Und entlässt sie dann wieder ins Wasser.
Naturschutz auf Chausey
Der gesamte Archipel steht unter Naturschutz. Vögel vermehren sich auf ihm ungestört. Und betrachten die Inseln längst als ihr Eigentum. Laut schimpfend fliegt ein Austernfischer über unsere Gruppe. Er will uns vertreiben, sagt Olivier. Freilich ohne Erfolg.
Abschied auf Französisch
Oberhalb des Hafens trennt sich die Gruppe. Die Tagesgäste laufen zur Anlegestelle herab, wo bereits dutzende Ausflügler in der Sonne stehen. Einige rotverbrannt, andere leicht beschwipst. Alle bestens gelaunt. Es wird gewinkt und „au revoir“ gerufen. Fünf Frauen führen sogar ein kleines Tänzchen auf, als die Fähre ablegt. Und zwei junge Männer springen von der Anlegestelle kopfüber ins Fahrwasser.
Kaum ist die Fähre außer Sicht wird es wieder ruhig auf Chausey. Bewohner und Langzeiturlauber gehen zu ihren Häusern zurück, die im privaten Teil der Insel liegen. Große Hinweisschilder weisen die Wege als „privé“ aus. Im öffentlichen Teil liegen der Mini-Supermarkt, zwei Restaurants und das einzige Inselhotel mit acht Zimmer. Geführt wird es von Laurence Megale und ihrem Mann Vincent.
Inselhotel in Familienbesitz
Der Urgroßvater von Laurence hat das Gebäude 1928 zum Hotel umgebaut. Er fuhr zur See, bevor er erst ein Restaurant und später das Inselhotel eröffnete. In ihrer Kindheit war Laurence jedes Jahr in den Sommerferien auf der Insel. 2016 hat sie dann das Hotel von einem Cousin übernommen.
Anfänglich kamen nur Segler und Fischer nach Chausey. Mittlerweile ist die Insel en vogue. Dennoch trotzt der Archipel den Gesetzen des Marktes. Die Nachfrage steigt, doch das Angebot wird nicht größer. Dem Ehepaar Megale und den allermeisten Insulanern ist das recht. Sie wollen den Status quo bewahren. Der letzte Bauernhof der Insel hat bereits geschlossen und auch die Schule wurde vor einigen Jahren dicht gemacht.
Lobster im Tante Emma Laden
Gleich gegenüber vom Hotel liegt das einzige Geschäft des Archipels. „La Boutique de Chausey“ verkauft alles: Deo-Sprays für fünf Euro. Baguette, das im Laden selbst gebacken wird. Und Gemüse, das mit der Fähre von Granville kommt. Sechs Monate im Jahr hat der Laden geöffnet: von Mitte März bis Mitte November.
In der Kühltheke findet sich Meeresgetier aller Art. Kleine, herzförmige Muscheln, gewundene Schnecken, achtbeinige Krebse und Lobster, denen die großen Scheren zusammengebunden wurden.
Die Austern von Chausey
Ganz besonders sollen die Austern der Insel sein. Ein Kilo kostet elf Euro – verglichen mit dem Preis importierter Deos ein Klacks. Die Austern müssen auch nicht extra mit der Fähre angekarrt werden. Sie wachsen zu Tausenden auf der Insel. Drei Fischer dürfen auf Chausey Austern züchten. Alban Lenoir ist einer von ihnen. Der junge Mann bringt die Austern gelegentlich sogar persönlich vorbei.
Mit Zug und Fähre zu den Inseln im Ärmelkanal
Granville, der Ausgangspunkt meiner Tour, ist bequem mit dem Zug zu erreichen. In Paris müsst ihr lediglich einmal umsteigen, dann seid ihr vom Rheinland innerhalb von sechs, sieben Stunden in der Normandie. Ich schaue immer, ob es Thalys-Schnäppchen gibt. Wer rechtzeitig bucht, bekommt hier die 1. Klasse zum Preis der 2. – und ein sehr leckeres Essen am Platz on top. Lasst uns mehr Zugfahren, um die Schönheit unserer Welt zu bewahren!
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Die Reise wurde von Grandville Terre & Mer unterstützt. Vielen Dank dafür!
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